Social Media Recruiting
Die Situation auf dem Arbeitsmarkt veranlasst Unternehmen, nach Alternativen zu den eingefahrenen Wegen zu suchen. Social Media bietet sich hierfür an – oder nicht?
10. Januar 2024
Fachkräftemangel ist für immer mehr Unternehmen ein Reizwort und in zahlreichen Branchen omnipräsent. Man denke nur an das Handwerk, den Pflege- oder Gastrosektor. Der Alterspyramide und einigen anderen Faktoren geschuldet fehlen häufig nicht nur Fach-, sondern sogar gering qualifizierte Arbeitskräfte. Im Angebot sind jede Menge offene Stellen, doch der Markt ist quasi leergefegt.
Die Älteren unter uns wissen noch, dass dies einst anders war. Da gab es, man höre und staune, gut ausgebildete Spezialisten, die wirklich Mühe hatten, eine adäquate Stelle zu finden und sich anstrengen mussten, um überhaupt ein Vorstellungsgespräch zu ergattern. Seitdem haben sich die Rollen gedreht. Nicht mehr der Arbeitgeber ist die umworbene Braut. Heute muss sich ein Unternehmen aufhübschen, um attraktiv auf dem beruflichen Dating-Markt zu erscheinen.
Doch auch die Art und Weise, wie Arbeitgeber auf sich aufmerksam machen, hat sich gehörig geändert. Waren es früher vor allem klassische Stellenanzeigen in Tageszeitungen, Wochenblättern, an schwarzen Brettern der Unis und Hochschulen oder in den Datenbanken der Arbeitsämter, werden diese heute zunehmend dort platziert, wo sich die Umworbenen vor allem austauschen: in den gängigen Social Media-Portalen.
Soziale Medien sind nicht mehr nur Mittel zur gelegentlichen hürdenarmen Kommunikation, sondern entwickelten sich für einen großen Teil unserer Gesellschaft zur zentralen Stütze menschlicher Interaktion, eine zentrale, treibende Kraft, wie es Lorenz Arnold treffend beschreibt. Der MGA-Inhaber erklärt auch, wie sich heute grundsätzlich Arbeitgeber und -nehmer finden.
»Soll ein Mensch erfolgreich für ein Unternehmen als neuer Mitarbeiter gewonnen werden, muss sich der potenzielle neue Arbeitgeber einen Vertrauensvorschuss erarbeiten«, sagt er und weiter: »Nur dann wird sich ein Bewerber dafür entscheiden, am Ende einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben.«
Der Vertrauensvorschuss entstehe primär in der menschlichen 1:1-Interaktion, beispielsweise durch Verbindlichkeit im Handeln. Dazu zählen schnelle Reaktionen, vor allem aber Rückmeldungen zum zuvor vereinbarten oder angekündigten Zeitpunkt. Zur Unterstützung dienen das Image des Unternehmens in der Öffentlichkeit, unterstützt durch Bewertungen insbesondere bei Portalen wie Kununu.
Berufliche Netzwerke wie LinkedIn oder Xing, aber auch eher privat genutzte Plattformen wie Facebook und Instagram sind für Unternehmen geradezu prädestiniert, um zwischen den zahllosen Posts der User zielgerichtet für sich zu werben. Natürlich gehört dies zu deren Geschäftsmodell.
Wie wir alle wissen, ist auf Social Media vieles mehr Schein als Sein, doch spätestens mit dem konkreten Kontakt fällt der Schleier. Dann zeigt sich, ob die Braut – sprich: das Unternehmen – wirklich attraktiv genug ist und für ein dauerhaftes Engagement in Frage kommt.
Wie stellt sich die Situation für MGA dar?
Zweifellos handelt es sich bei der für MGA geeigneten Zielgruppe, also Elektroingenieure und damit »verwandte« Berufe, laut Lorenz Arnold um »Menschen mit spezieller Qualifikation«. Schon immer musste sich das Unternehmen zielgerichtet dort um Verstärkung bemühen, wo die Fachleute ausgebildet werden: an Hoch- und Technikerschulen. Immer wieder gibt und gab es zwar auch Bewerber aus dem Arbeitsmarkt, doch gilt auch hier: »Früher war mehr Lametta.«
Social Media als Recruiting-Instrumentarium gegenüber ist der MGA-Geschäftsführer durchaus aufgeschlossen, denn hier sieht er eine gute Chance, potenzielle Mitarbeiter zu erreichen, die gerade nicht auf der Suche nach beruflicher Veränderung sind, sogenannte latent Suchende. »Diese Gruppe ist um ein Vielfaches größer als die wirklich aktiv Suchenden«, weiß er. Jene spricht er weiterhin über die großen Stellenportale wie Indeed oder Stepstone oder eben direkt über die Hoch- und Fachschulen an.
Als Unternehmen muss MGA keine Klimmzüge machen, um sich attraktiv zu machen. »Wir haben uns am Markt einen erfreulich guten Ruf erarbeitet, sind fast immer in der Situation, mehr Anfragen von bestehenden und neuen Kunden zu erhalten, als wir bedienen können«, umreißt Lorenz Arnold die Ausgangslage. Deshalb ist die Suche nach neuen Mitarbeitern eine permanente Aufgabe. »Wenn wir jemanden finden, der zu uns passt, dann reichen wir ihm die Hand«, beschreibt der Unternehmer seine Zielsetzung. »Ob dieser dann etwas früher oder später zu uns kommt, ist gar nicht einmal entscheidend«, fügt er hinzu. »Alleine entscheidend ist, dass er kommt.«
Lorenz Arnold gibt aber auch zu, dass nicht jeder Weg, den er im Recruiting ausprobiert hat, erfolgreich war. »Eigentlich mangelt es uns gar nicht an Bewerbungen, sondern an Bewerbungen von wirklich passenden Kandidaten. Daher ist es nicht unser unbedingtes Ziel, (blindlings) möglichst viele Bewerbungen zu generieren«, gibt er zu Bedenken. »Dass die Aktivitäten im Bereich Social Media daher zwar mit großer Hoffnung, aber auch mit einer gehörigen Portion an Skepsis beobachtet werden, liegt auf der Hand«, fügt er hinzu.
MGA geht deshalb sehr selektiv vor und die zielgerichtete Präsenz auf Social Media zählt aktuell zum Mix der Recruiting-Aktivitäten. »Der hart fokussierte Wasserstrahl ist deutlich eher unser Weg als die berühmte Gießkanne«, beschreibt er seine Strategie. Klar ist auch: Die virtuelle Social Media-Welt ändert sich beständig, manchmal über Nacht.
In diesem Kontext zitiert der Geschäftsführer gerne den legendären Industriepionier Henry Ford, der sinngemäß treffend formulierte: »Ich weiß, dass ich die Hälfte meines Marketingbudgets zum Fenster hinauswerfe. Das Problem ist: Ich weiß nicht, welche Hälfte!« Möglicherweise wäre Henry Ford von den Möglichkeiten von Social Media begeistert gewesen, wobei Fachkräftemangel damals weniger das Problem war.
Social Media ist sicherlich keine »Medizin«, die die Recruiting-Probleme sofort löst. Auch hier ist Professionalität gefragt, entweder über gezielte Nutzung von dafür entwickelten Online Tools oder die Inanspruchnahme von Experten, die sich auf die Nutzung von Social Media spezialisiert haben, wobei beide – natürlich mit Kosten verbundenen – Alternativen keine Erfolgsgarantie beinhalten. Falls man überhaupt einen Spezialisten fände – Stichwort Fachkräftemangel …