Robo(t)-Recruiting
In zahlreichen Unternehmen werden mittlerweile automatisierte Verfahren zur Bewerberselektion angewandt. Eine Standortbetrachtung aus Sicht von MGA.
10. Januar 2022
Sicher, es gibt sie noch, die gute alte Bewerbungsmappe mit Lebenslauf. Abgeben oder einsenden und hoffen, dass sich jemand meldet, um einen Termin für ein Vorstellungsgespräch zu vereinbaren. Mittlerweile hat dieses analoge Vorgehen nostalgischen Charakter, gilt in Zeiten von Industrie 4.0 und New Work als nicht mehr zeitgemäß.
Es liegt auf der Hand: Ein herkömmliches Auswahlverfahren, bei dem sich die Personalverantwortlichen jedem Bewerberprofil widmen und sich einen persönlichen Eindruck verschaffen, ist sehr zeitintensiv. Neben der formellen Eignung – Ausbildung, Berufserfahrung – sollen sie auch prüfen, ob die Bewerber zum Unternehmen passen und welche Soft Skills wie Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Kundenorientierung oder Führungspotenzial sie mitbringen. Bei besonders begehrten Stellen können auch mehrere hundert Bewerbungen auf dem Tisch liegen. Zwangsläufig stellt sich die Frage, ob sich dieser Prozess nicht standardisieren lässt.
Die Antwort ist Ja und nicht neu. Schließlich sind seit bestimmt fünfzehn Jahren Onlineformulare im Gebrauch, wenn nicht sogar Standard. Damit können Bewerbermanagementsysteme auf einfach Weise mit relevanten Daten gefüttert werden. Neben harten Kriterien wie persönliche Daten, Abschlüsse und Noten kann u.a. auch Gehaltswünsche gespeichert werden.
In der Realität von heute stehen noch weiter führende Methoden zur Verfügung, die kompatibler sind mit Unternehmensleitlinien, die Automatisierung fordern und fördern. Vor allem in großen und mittelgroßen Unternehmen setzt das Bewerbermanagement der Personalabteilungen zunehmend auf Robot- bzw. Robo-Recruiting.
Das Prinzip ist klar und folgt Effizienzzielen: Unter Verwendung künstlicher Intelligenz verarbeiten Algorithmen die Bewerberdaten und sollen so die für die ausgeschriebenen Stellen geeignetsten Kandidaten herausfiltern. Neben dem Zeitaufwand sollen zudem Fehleinschätzungen durch einen beurteilenden Menschen minimiert werden. Da es sich bei den Bewerbern allerdings ebenfalls um Menschen handelt, die sich subjektiv darstellen, wird das Ergebnis nicht zwangsläufig optimiert sein. Andererseits: In einem selbstlernenden System sollte sich die Trefferquote stetig verbessern.
In jedem Fall ist der Einsatz von Robo(t)-Recruiting ein Vorteil für alle, deren Karriereplan bislang schnurgerade und reibungslos verläuft. Umwege, seien sie für die Persönlichkeitsentwicklung noch so wertvoll, können dazu führen, dass Bewerber durchs Raster fallen. Das hängt davon ab, wer die Software programmiert hat, vermutlich wiederum ein Mensch.
Während das automatische Aussortieren von Bewerbern eine Negativselektion bewirkt, ist die Suche nach den passendsten Kandidaten – die Positivselektion – wesentlich herausfordernder. MGA-Chef Lorenz Arnold bezeichnet diese Aufgabe mit dem »Traum eines jeden Managers: Er kann vollautomatisch und (vermeintlich) ohne Risiko eines Fehlgriffs den genau passsenden Bewerber herausfiltern.«
Funktioniert dies tatsächlich in der Praxis? »An dieser Stelle scheiden sich die Geister«, sagt Lorenz Arnold. Unter den Personalern gibt es Befürworter wie Skeptiker. Nicht zuletzt ist es eine Typfrage und hängt vom Geschäftsfeld der Betriebe ab. Während IT-Unternehmen für Robo(t)-Recruiting prädestiniert sind, wird man sich in Branchen schwertun, in denen Anforderungsprofile komplexer sind.
Wie läuft das Recruiting bei MGA ab?
Lorenz Arnold lernt gerne Menschen kennen und hat hierauf eine klare Antwort: »Effizienz ja, Automatisierung der Auswahl nein! Natürlich lässt sich auch MGA von zeitgemäßer Technik unterstützen. Das macht die Arbeit im Recruiting einfacher und angenehmer, weil mühsame Routinearbeiten entfallen. Vor allem aber schenkt es uns Zeit, uns mit dem Menschen hinter einer Bewerbung intensiv zu beschäftigen, denn bei MGA zählt noch immer der Mensch als Ganzes.«
Bei MGA wird jede Bewerbung hinsichtlich ihrer Plausibilität geprüft. Letztlich werden nur offensichtliche Irrläufer aussortiert. Die Prüfung erfolgt nach dem Vier-Augen-Prinzip. Dies bedeutet konkret: Personalreferentin Jennifer Schmitt geht jede einzelne Bewerbung durch und legt sie anschließend Lorenz Arnold vor. »Damit, dass sich der Geschäftsführer die Unterlagen persönlich ansieht, bringen wir jedem einzelnen Bewerber Wertschätzung entgegen«, erklärt er die Vorgehensweise.
Anschließend erfolgt ein persönliches Kennenlernen in der Regel in Form eines Telefoninterviews, vor allem bei überregionalen Bewerbern. In manchen Fällen sind sich Lorenz Arnold und Jennifer Schmitt unschlüssig, ob Bewerber tatsächlich passen. In einem Kurzinterview geben sie diesen die Gelegenheit zu erklären, warum sie trotzdem zur ausgeschriebenen Stelle passen.
Lorenz Arnold stellt fest: »Im Großunternehmen, ob mit oder ohne Robo-Recruiting, fallen solche Bewerbungen durchs Raster. Schluss, aus und vorbei! Wir haben die Erfahrung gemacht, dass auch Bewerber mit einem äußerlich nicht idealen Werdegang 110%-ig passen können.« Für das anspruchsvolle Tätigkeitsfeld bei MGA macht er sich gerne die Mühe und blickt hinter die Kulissen der Bewerbung. Warum hat der Bewerber beispielsweise länger studiert, einen Karriereumweg gemacht, eventuell zunächst oder zwischenzeitlich anderweitig gejobbt, ein Sabbatjahr eingestreut oder wie ist der Werdegang zu verstehen?
Im Gespräch findet man hier Antworten, die diese Umstände erklären. »Nicht selten finden wir sogar Antworten, die uns Hochachtung vor dem Menschen abringen«, so Lorenz Arnold. Die Gründe können beispielsweise in schweren Krankheiten, der Versorgung von nahen Angehörigen oder anderen Widrigkeiten im Lebensumfeld liegen. »Bewerber sind so vielfältig wie die Menschheit an sich und das ist ja das Schöne«, freut sich der MGA-Chef.
Aus zahlreichen Begegnungen und Gesprächen mit solchen Individualisten gewinnt er auch immer selbst neue Erkenntnisse hinzu. Für ihn sind Normabweichungen vom »08/15-Leben« das Salz in der Suppe des täglichen Einerleis. Das heißt andererseits nicht, dass er es nicht schätzt, wenn jemand geradlinig und zielstrebig seinen Weg verfolgt. Bei MGA finden sich viele verschiedene Menschentypen. »Die Mischung machts«, resümiert Lorenz Arnold über die heterogene Zusammensetzung des MGA-Teams.
Wenn jemand passt, wird er an Bord geholt. Das ist eine klare Aussage. Und zwar zum gewünschten Zeitpunkt des Bewerbers. Sollte wider Erwarten trotzdem gerade kein Bedarf vorhanden sein, aus welchen Gründen auch immer, wird die Bewerbung mit Zustimmung des Einreichenden gespeichert. Das ist jedoch die Ausnahme.
Klar ist auch: Sollte sich im Gespräch herausstellen, dass die Zusammenarbeit an einem wichtigen Kriterium scheitert – wie etwa der Reisebereitschaft zu einer Inbetriebnahme in Übersee – erhält der Bewerber eine ehrlich begründete Absage. Doch auch das ist eine Ausnahme.