Kunststoffe, ihre Verarbeitung und MGA – Teil 1: Basics
4. Mai 2020
Mit Kunst haben Kunststoffe relativ wenig zu tun. Dies war zu Beginn der Epoche der Moderne noch anders, als Plastikmöbel Kunstpreise abräumten und Kunstfasertextilien die Kleiderständer eroberten. Mittlerweile betrachten wir Kunststoffe in allen Lebensbereichen als so selbstverständlich, dass reine Naturprodukte als besonders betrachtet werden.
Vermutlich ist Kunststoff der Werkstoff, von dem wir in unserem modernen Leben am meisten umgeben sind. Die Erstprägung findet bereits im Babyalter statt. Mit Schnuller und Höschenwindeln werden Ein- und Ausgänge geschützt, kurze Zeit später lernen die »Zwerge«“ mit Bausteinen, Figuren und Fahrzeugen in kindgerechten Größen, sich selbst und die Welt zu entdecken. Wenn sie schließlich das erste Handy in der Hand halten, ist der letzte Zweifel ausgeräumt: Im wahrsten Sinn des Wortes begreifen sie, dass aus Plastik so ziemlich alles hergestellt werden kann.
Warum wir uns in diesem Beitrag mit Kunststoff im Allgemeinen beschäftigen, liegt daran, dass die Kunststoffverarbeitung neben Verpackungsmaschinen und der Intralogistik die dritte Fokusindustrie von MGA bildet. In dem Maße, in dem Produkte also aus oder mit Hilfe von Kunststoffen erzeugt werden, dürfen sich MGA-Fachleute mit dieser Materialklasse und ihren Einsatzmöglichkeiten beschäftigen. Bevor wir dazu ins Detail gehen, möchten wir kurz erklären, was unter Kunststoff zu verstehen ist.
Kunststoffe im weiteren Sinn lassen sich dadurch definieren, dass sie in ihrer Struktur nicht in der Natur vorkommen, dass sie also künstlich erzeugt werden. Im engeren Sinn bezeichnen wir damit synthetische makromolekulare Stoffe, die in der Regel in chemischen Prozessen hergestellt werden. Der Siegeszug des Kunststoffs ist eng verknüpft mit der Aufbereitung von Erdöl in Erdölraffinerien. Die dort neben der Abspaltung von Treibstoffen gewonnenen Kohlenwasserstoffverbindungen werden in weiteren komplexen Verfahren zu den gängigen Kunststoffen weiterverarbeitet.
Die Vorzüge der Kunststoffe liegen vor allem in ihren Eigenschaften. Einerseits sind sie sehr leicht. Experten schätzen, dass mit 100 kg Kunststoff 200 bis 300 kg anderer Werkstoffe ersetzt werden können. Dabei besitzen die Materialien eine hohe Festigkeit und Formstabilität verbunden mit Elastizität und Langlebigkeit. Zudem rosten bzw. korrodieren sie nicht. Besonders angenehm für die industrielle Anwendung ist, dass man Kunststoffe leicht verarbeiten kann. Sogenannte Thermoplaste lassen sich ab einer Temperatur von 80 Grad Celsius aufschmelzen und damit einfach wiederverwenden.
Aufgrund dieser Eigenschaften werden Kunststoffe in der Praxis vielfältigst eingesetzt. Der größte Anteil – fast ein Drittel – wird, zum Beispiel in Form von Folien, als Verpackungsmaterial verwendet. Etwa ein Viertel des Kunststoffs landet im Bauwesen – als Bodenbeläge, Wasserrohre, Isoliermaterial u.v.m. Auf Platz drei der Anwendungen liegt die Sport- und Freizeitbranche mit etwa 15 %. Neben vielfältigstem Spielzeug für Groß und Klein fallen darunter auch mittels Kunstfaser hergestellte Textilien.
Auf den weiteren Plätzen folgen Fahrzeugbau (9,2 %), Elektrowaren (7,4 %), Möbelindustrie (3,8 %), Haushaltswaren (2,9 %), Landwirtschaft (2,5 %) und Medizin (1,7 %).
Des Deutschen liebstes Kind, das Automobil, besteht zu 10 bis 15 % aus Kunststoff, Fahrzeuge mit Kunststoffkarosserie entsprechend noch mehr. Die Leichtbauweise spart Kraftstoff und schont damit die Umwelt. Dieses Thema führt allerdings gleichzeitig zum Hauptproblemfeld, dem Plastikmüll.
In den nächsten Beiträgen werden wir uns den Themen Anwendung und Recycling von Kunststoffen widmen und dabei die konkreten Aufgabenstellungen der MGA-Fachleute skizzieren.