Arduino – der künftige Standard in der Automatisierungstechnik?

Arduino – der künftige Standard in der Automatisierungstechnik?

Ein einfach aufgebauter Computer ist offensichtlich gerade dabei, seinen Platz in der industriellen Automatisierungstechnik zu erobern.


14. März 2023


Wer oder was ist Arduino? Wer auf Spurensuche nach diesem wohl-, aber geheimnisvoll klingenden Begriff geht, landet zwangsläufig im Nordwesten Italiens. Etwa 50 Kilometer nördlich der piemontesischen Hauptstadt Turin liegt Ivrea und im romanischen Dom der beschaulichen Kleinstadt findet sich eine Gedenktafel, die Arduino als Marchese di Ivrea auszeichnet, der von 1002 bis 1015 als solcher das Königreich Italien regierte.

Für die Geschichtsinteressierten unter uns ist das ein Wissenshappen, doch was hat das mit unserem Themenbereich zu tun? Der Arduino, welcher uns interessiert, ist etwas völlig anderes als eine historische Figur, sondern eine Plattform, basierend auf einem ziemlich simpel aufgebauten Einplatinencomputer, der als geeignetes Instrument für die Automatisierung genutzt wird und dies ziemlich erfolgreich.

Simpel – das heißt, es gibt Ein- und Ausgänge zum Einsammeln von Signalen und Ausgeben von Kommandos an Aktoren wie Elektromotoren oder Pneumatikzylinder. Vorteile der Technik: Sie ist einfach zu handhaben, zu programmieren (in einer Programmiersprache ähnlich C++ – wer’s kann …) und konkurrenzlos günstig. Mit diesen Eigenschaften ist sie beliebt im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung, ebenso in der Maker-Szene.

Die Arduino-Technik zählt zu den offenen Systemen – die wir bereits thematisiert hatten – und wird als Open Source, also für jedermann, angeboten. Ob dies nur von Vorteil für die Anwender ist, sei dahingestellt. Schließlich seien Umfang und Komplexität der programmierbaren Anwendungen überschaubar, ein »Bruchteil dessen, was eine übliche SPS anbietet«, sagt Lorenz Arnold.

Open Source sei zwar unter Informatikern beliebt, aber in der Industrie und bei Automatisierern verpönt, bemerkt der MGA-Chef und begründet dies damit, dass die klassische Ausführung des Arduinos nicht den Industriestandards an Robustheit, Zuverlässigkeit und Zertifizierungen entspricht: »Ein Arduino gilt nun einmal als ›Bastlerkram‹, dem klassische Automatisierer misstrauen.«

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten

Trotzdem findet die Technik Anwendung in der industriellen Automatisierung. Dies liegt daran, dass die von den Arduino-Entwicklern gegründete Firma mit Sitz im US-Bundesstaat Massachusetts zunehmend beginnt, Varianten für den industriellen Einsatz anzubieten. Ein namhafter Geldgeber des Unternehmens ist die Robert Bosch Venture Capital. 32 Millionen US-Dollar schwer ist das Investment, das die Bosch-Tochter 2022 in Arduino investierte.

Lorenz Arnold bezeichnet diesen Schritt als »Ritterschlag« für die Open Source-Lösung und geht von einem kräftigen Schub für den industriellen Einsatz von Arduinos aus. Einsatzgebiete sieht er dort einige, etwa die Steuerung einfacher Aufgaben. Auch als dezentral angedockte »Helferlein« an eine zentrale SPS könnten sie Teile der Steuerungsaufgaben übernehmen. »Je dezentraler die Architektur der Steuerung, desto störungsunempfindlicher ist das Gesamtsystem«, erklärt Lorenz Arnold diesen Vorteil.

Auch das Einsammeln lokaler Signale für Predictive Maintenance-Konzepte kann er sich vorstellen, und noch einen weiteren Aspekt bringt er aufs Tablett: die Hilfe beim Fachkräftemangel. Dies erklärt er so: »Viele Jungentwickler aus den Hochschulen und Universitäten kennen die Technik aus dem Studium und privaten Basteleien und könnten bei uns auf dieser Basis weiterarbeiten, statt die mitunter recht sperrige IEC 61131-3 Programmierung lernen zu müssen.«

Auch bei MGA ist man offen für Open Source: »Nicht umsonst sind wir Partner der ctrlX World von Bosch Rexroth«, sagt Lorenz Arnold. Er ist sicher, »dass der Einzug offener Systeme in der Automatisierungstechnik einen technologischen Schub geben wird wie die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes in Deutschland in den 90er-Jahren.«

Als nächsten Schritt in diese Richtung kann er sich die Implementierung der selbstentwickelten Sprachsteuerung auf Arduinos vorstellen: »Das wäre eine Superlösung, insbesondere für die Erweiterung bestehender Maschinen.« Er verspricht, dass man bei MGA diesen Ansatz erproben und an dieser Stelle über die Erfahrungen berichten wird.

Übrigens: Arduino, der Markgraf (Marchese) von Ivrea und einstige König von Italien, und Arduino, die Technik, haben insofern miteinander zu tun, als Letztere (die Technik) in der Stadt Ivrea ihren Ursprung hat, denn laut Wikipedia-Eintrag trafen sich einige der Gründer regelmäßig in einer nach dem Marchese benannten Bar. (Aaah …!)


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